Alfred Döblin – Berlin Alexanderplatz. Die Geschichte vom Franz Biberkopf.

Roman, S. Fischer, 1929

Welche Gemeinsamkeiten hat „Berlin Alexanderplatz“ mit Hans Falladas „Kleiner Mann, was nun“? Wie sieht es in Döblins Arbeitszimmer aus? Warum bezeichnete Döblin Hermann Hesse als „langweilige Limonade“?

Mit Franz Biberkopf betritt ein weiterer schwacher männlicher Held, der vom Leben mehr verlangt als das Butterbrot, die literarische Bühne. Der Schauplatz Berlin (bei Hans Fallada lediglich Kulisse, bei Döblin Bestandteil der Handlung), zeitgenössisches Tatsachenmaterial wie Zeitungsnachrichten, Anzeigen, Wetterberichte, Straßenangaben, Reklameslogans sowie die Einbettung der Handlung in die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse in das Deutschland zu Zeiten der Weltwirtschaftskrise sind weitere Gemeinsamkeiten mit Kleiner Mann, was nun?

Alfred Döblin mit seinen beiden jüngsten Söhnen – Zeitbilder, Beilage der Sonntagsausgabe der Vossischen Zeitung vom 16. November 1930

Berlin Alexanderplatz wird oft als erster und bedeutendster Großstadtroman der deutschen Literaturgeschichte angesehen, und Döblin erweckt die Stadt, mit all ihrer Hektik und ihres Lärms zum Leben. Der Autor entwirft eine großstädtische Umwelt, an der Franz Biberkopf schnell verzweifelt. Die Stadt wird ihm zum Gegenspieler, und erst nach einem langen Leidensweg erkennt er, dass nur er allein für sein Scheitern verantwortlich ist.

Wenn ein Roman nicht wie ein Regenwurm in zehn Stücke geschnitten werden kann und jeder Teil bewegt sich selbst, dann taugt er nicht.

Alfred Döblin

Mit der Entlassung aus dem Gefängnis Tegel, wo er wegen Totschlags an seiner Geliebten inhaftiert war, beginnt die Geschichte Franz Biberkopfs. Er beschließt, anständig zu leben, mit und ohne Geld, lernt aber schon bald in einer Kneipe in der Nähe des Alexanderplatzes den „Obsthändler“ Pums sowie dessen Angestellten, den Zuhälter und Verbrecher Reinhold kennen. Von Reinhold fühlt sich Biberkopf magisch angezogen und erfüllt diesem die Bitte, sich deren überdrüssig gewordenen Freundin anzunehmen. So wird Biberkopf in den schwunghaften Mädchenhandel hineingezogen. Zwar versucht er, Reinhold ins Gewissen zu reden, verstrickt sich aber immer mehr in die verbrecherischen Aktivitäten der Pums-Bande.

Band 1 meines Projekts FÜNF.ZWEI.VIER.NEUN –
Zeitschrift für Gesellschaft, Kultur und Literatur
in den 5249 Tagen der Weimarer Republik

Auf einer nächtlichen „Geschäftsfahrt“, an der Biberkopf teilnimmt, und die einem Einbruch dient, muss die Bande vor der Polizei flüchten. Reinhold reagiert seinen Ärger über das nachlassende Geschäft mit den Mädchen an Biberkopf ab, und wirft ihn aus dem fahrenden Auto. In einer Klinik muss ihm daraufhin der rechte Arm amputiert werden. Biberkopf verschweigt die Ursachen dieses „Unfalls“.

Nach seiner Genesung treibt es ihn wieder zurück zum Kiez des Alexanderplatzes, er treibt sich in den Kneipen herum, und wird Hehler und Zuhälter. In der Prostituierten Emilie Parsunke findet Biberkopf einen ihm treu ergebenen Menschen. Biberkopf sucht erneut den Anschluss an die Pums-Bande, um sich vor Reinhold, an dem er sich immer zu messen und zu beweisen sucht, mit seiner „Mieze“ zu brüsten. Reinhold will sich die Frau nehmen und ermordet Emilie, als diese sich wehrt.

Reinhold und Biberkopf werden der Tat gemeinsam verdächtigt, und nun dämmert Biberkopf nah und nach sein schuldhaftes Verhalten. Bei einer Polizeirazzia sucht er bewusst durch heftige Gegenwehr den Tod, überlebt und wird in die Irrenanstalt Buch überführt. Dort gesteht er sich erstmals die Fehler seiner bisherigen Existenz ein. Seine Unschuld wird bewiesen, er bricht sein Schweigen und Reinhold kann seiner Bestrafung zugeführt werden. Biberkopf beginnt eine neue Existenz als Hilfsportier. Sein weiteres Schicksal bleibt im Dunklen, doch ist zu erwarten, dass er sein Leben in den Griff bekommt.

Berlin Alexanderplatz. Die Geschichte vom Franz Biberkopf wird mehrmals verfilmt, sehenswert ist der Fernsehmehrteiler (1980) mit Günter Lamprecht in der Hauptrolle. Großartig Gottfried John in der Rolle des Reinhold. Regie: Rainer Werner Fassbender.

Trotz des Welterfolgs des Romans vermisst Döblin die ihm zustehende Anerkennung. So wird ihm, obwohl mehrmals vorgeschlagen, der Literaturnobelpreis verwehrt. „So viel wie die langweilige Limonade Hermann Hesse bin ich schon lange“, äußert er sich über seinen Kollegen, der 1946 den Nobelpreis für Literatur erhält.

Das Werk Alfred Döblins ist lieferbar. Seit 2008 werden seine Bücher wieder beim S. Fischer Verlag herausgegeben.

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