Die Grafik

Am Anfang stand der Wunsch meiner Tochter, mit Ölfarben zu malen. Und da es in ihren Augen keinen Spaß machte, allein zu malen, kaufte auch ich mir eine Leinwand, und stand, zu Hause angekommen, direkt vor einem Dilemma. Denn: was sollte ich malen? Mein Talent ist in diesen Dingen wirklich sehr beschränkt, und während Leonie schon fleißig bei der Sache war, fehlte mir noch die zündende Idee.

Da fiel mir ein Artikel aus der Musikzeitschrift „Rolling Stone“ ein: Der Schlagzeuger der Rolling Stones hatte den Londoner U-Bahn-Plan abgezeichnet und die einzelnen Stationen nach seinen Lieblingsplatten benannt. Eine tolle Idee! Die ich dann auch – mit einem imaginären U-Bahn-Plan – 1:1 hätte umsetzen können. Mich aber zog es statt zur Stereoanlage zum Bücherregal. Warum nicht einen U-Bahn-Plan erstellen, und die einzelnen Stationen nach meinen Lieblingsautoren benennen?

Schon bald stellte ich fest, dass die meisten dieser Autoren eines gemeinsam hatten: Sie veröffentlichten viele ihrer Bücher in der Zeit der ersten deutschen Republik.

So habe ich schließlich einen U-Bahn-Plan mit 5 Linien entworfen. 5 Linien, um die literarischen (Haupt-)Strömungen in der Weimarer Zeit aufzuzeigen: Rot steht hierbei für politische Literatur, Schwarz stellt die bürgerliche Literatur dar, Blau die religiöse Literatur. Grün habe ich für den Naturalismus bzw. für die nachfolgende Neue Sachlichkeit gewählt, und Hellblau (ich hatte keine andere Ölfarbe mehr, und Farben mischen wollte ich nicht) für Literatur, die sich mit dem 1. Weltkrieg auseinandersetzt.

Kein Wunder, dass ich die Schreibe der Weimarer Zeit als so attraktiv empfand, denn erstmals trat die deutsche Literatur in einer ungeheuren Vielfalt hervor, große gesellschaftliche Veränderungen wurden literarisch verarbeitet.

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