Hans Herbert Grimm – Schlump

Antikriegsroman, Kurt-Wolff-Verlag, 1928

Warum verkaufte sich der Roman nach Erscheinen so mäßig? Was unterscheidet „Schlump“ von anderen Antikriegsromanen? Wer lüftete das Geheimnis um die Autorschaft?

Am 2. Dezember 1928 kündigt der Kurt Wolff Verlag in einer Anzeige in der „Vossischen Zeitung“ das Erscheinen des Romans „Schlump“ an – „Geschichten und Abenteuer aus dem Leben des Musketiers Emil Schulz, genannt „Schlump“. Von ihm selbst erzählt.“ Es ist der Beginn einer Werbekampagne, die dem Verlag sehr viel Geld kostet. Investiert hatte man bereits vor Erscheinen: in Emil Preetorius, einem engen Freund Thomas Manns, hatte man einen der renommiertesten Buchgestalter und Illustratoren Deutschlands gewonnen, um das Cover zu entwerfen. Aller Einsatz war zwar nicht umsonst, aber nach drei Monaten hatten sich erst knapp über 5.000 Exemplare des Romans verkauft.

Anzeige des Kurt-Wolff-Verlags zum Erscheinen des Romans "Schlump" in der Vossischen Zeitung vom 2. Dezember 1928.
Anzeige des Kurt Wolff Verlags in der „Vossischen Zeitung“, Ausgabe vom 2. Dezember 1928; rechtes Bild: Cover der Erstausgabe des „Schlump“
Das Bild zeigt das Cover der Erstausgabe des "Schlump".

Was sind die Gründe für diesen, gemessen am Aufwand, bescheidenen Abverkauf? Weil der Titel, der Spitzname eines siebzehnjährigen Jungen, nicht auf einen Antikriegsroman schließen lässt? Weil man nicht weiß, wer den Roman verfasst hat? Sicher, beides spielt eine Rolle. Zudem ist „Schlump“ so ganz anders als die anderen Bücher, die sich mit den Geschehen im 1. Weltkrieg beschäftigen – dazu gleich mehr.

Der Hauptgrund findet sich ebenfalls in der „Vossischen Zeitung“ vom 2. Dezember 1928, nur wenige Seiten weiter. Drei Wochen zuvor startete der Vorabdruck von Im Westen nichts Neues von Erich Maria Remarque, in der Ausgabe wird die 18. Fortsetzung des Romans abgedruckt, der eine Woche später, am 9. Dezember 1928, bei Ullstein erscheinen sollte und längst das Gesprächsthema in Deutschland ist – die Startauflage von 100.000 Exemplaren ist bereits vor Erscheinen vergriffen, bis Ende Januar 1929 verkaufen sich 450.000 Exemplare. Da hat es ein Roman eines unbekannten Autoren schwer, Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen.

„Schlump“ ist anders als „Im Westen nichts Neues“. Der Roman ist auch anders als Arnold Zweigs Der Streit um den Sergeanten Grischa und Ludwig Renns Krieg, die bereits erschienen waren, sich sehr erfolgreich verkauft und „Im Westen nichts Neues“ den Weg bereitet hatten. „Schlump“ ist auch anders als Edlef Köppens Heeresbericht, A. M. Freys „Die Pflasterkästen“ und Adrienne Thomas‘ „Die Katrin wird Soldat“, die noch erscheinen sollten und nur leicht bessere Verkaufszahlen wie „Schlump“ erzielten.

Alle diese Romane sind anders als „Schlump“, denn sie zeichnen ein weitestgehend realistisches Bild von den Schrecken des Krieges und haben – vor allen Dingen Köppens „Heeresbericht“ durch Verwendung einmontierter Originaldokumente wie Zitate, Zeitungsberichte, Reklame und Erlasse – dokumentarischen Charakter. Im „Schlump“ ist davon nicht viel zu finden.

Emil Schulz, Schlump genannt, meldet sich im Alter von 17 Jahren freiweillig zum Militär. Nach kurzer Rekrutenausbildung in der Heimat findet er sich bald in Frankreich wieder und wird aufgrund seiner Französischkenntnisse als Dolmetscher auf dem Büro eingesetzt. Wochen später, als eine Ortskommandantur zu besetzen ist, fällt die Wahl auf den jungen Rekruten. Er macht sich auf den Weg und ist nach Abzug der dort anwesenden Soldaten allein verantwortlich für die Verwaltung von drei französischen Dörfern.

Der Krieg ist hier weit weg. Und so organisiert Schlump das Dorfleben, schreibt ordnungsgemäß seine wöchentlichen Berichte und ist ansonsten für jeden Genuss zu haben. Vor allen Dingen die jungen französischen Mädchen haben es ihm angetan.

Doch dann wird Schlump doch noch an die Front geschickt und erlebt die Grauen des Krieges. Es sind wenige Seiten nur, aber umso erschreckender wirken sie auf den Leser. Schlump registriert sie, doch sie perlen an ihm ab wie Wassertropfen auf einem Regenmantel. Und dann ist der Krieg vorbei und für die Deutschen verloren. Für Schlump hat sich nichts geändert. Die Welt ist geblieben, wie sie war – Züge fahren, Fahrkarten werden kontrolliert … Als Schlump mit dem Zug in seiner Heimatstadt eintrifft, wartet bereits sein Mädchen vor dem Bahnhof auf ihn.

„Es ist leicht, dieses Buch zu unterschätzen“, schreibt Volker Weidermann in seinem Nachwort. „Im Grunde lädt es sogar dazu ein. Schlump geht durch diese Kriegswelt wie durch einen Traum. Schwebt von Mädchen zu Mädchen, von Abenteuer zu Abenteuer …“

Weidermann ist es auch, der das Geheimnis um die Autorenschaft lüftet: in einem Artikel in der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ im April 2013 nennt er Hans Herbert Grimm als Verfasser des Romans. Ein Altenburger Lehrer, der um seine Stellung fürchtete, wenn seine Autorschaft bekannt würde.

Es ist davon auszugehen, dass Weidermanns Artikel auch den Anstoß gab für die Neuauflage des Romans. 2014 erscheint der „Schlump“ bei Kiepenheuer & Witsch.

Hans Herbert Grimm hat mit seinem „Schlump“ ein Antikriegsmärchen geschrieben (bei diesem Nachnamen kommt man zwangsläufig auf den Begriff „Märchen“). Für Schlump hat sich in den Kriegsjahren die Welt nicht verändert. Und sie wird sich auch nicht mehr ändern – Kriege gibt es leider und wird es weiter geben. Es kommt darauf an, menschlich zu bleiben und zu allen Zeiten zu überleben.

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