Wie viele deutschsprachige und fremdsprachige Autoren werden in dem Kompendium vorgestellt? Was ist das Ziel des Buchs?
Vor 90 Jahren, am 10. Mai 1933, wurden vor dem Berliner Opernplatz (und in 18 weiteren Universitätsstädten) von den Nationalsozialisten Bücher verbrannt. Die Bücherverbrennungen bildeten den „Höhepunkt“ einer vierwöchigen „Aktion wider den undeutschen Geist“, die von der Deutschen Studentenschaft und ihrer Organe durchgeführt wurde.
„Dort, wo man Bücher verbrennt, verbrennt man auch am Ende Menschen“ – Heinrich Heines in einem seiner Stücke verwendeter Satz sollte schreckliche Realität werden.
Gut, dass die Erinnerung an diese Greueltat noch nicht vergessen ist. Dass das so ist, das belegt auch der Erfolg von Volker Weidermanns „Buch der verbrannten Bücher“. 2008 erschienen, war es monatelang in der SPIEGEL-Bestsellerliste vertreten.
„Was sind das alles für Leute?“ beginnt Weidermanns Einleitung. „Was sind das für sonderbare, nie gehörte Namen? … Sie alle haben Bücher geschrieben, die den nationalsozialistischen Machthabern und ihren Helfershelfern … so gefährlich erschienen, dass man sie öffentlich verbrannte. Dass man ihre Werke aus den Büchereien verbannte, aus den Buchhandlungen und den Antiquariaten. Ihre Namen sollten ausgelöscht werden aus den Geschichtsbüchern, ausgelöscht aus dem Gedächtnis des Landes, ihre Bücher sollten spurlos verschwinden – für immer. Es ist beinahe gelungen.“
Es ist eine der Stärken des Buches, dass es nicht nur die Werke und Lebensläufe der Klassiker wie Brecht, Feuchtwanger, Heinrich Mann, Stefan Zweig, Joseph Roth, Kurt Tucholsky enthält. Viele selten gehörte Namen sind dabei und auch welche, von denen ich bislang nichts gehört hatte – insgesamt vierundneunzig deutschsprachige und siebenunddreißig fremdsprachige Autoren sind in Weidermanns Kompendium vertreten. Das macht Lust, unbekannte Werke kennenzulernen. Nicht jeder Roman ist noch lieferbar, oftmals aber noch antiquarisch zu beziehen.
Eine weitere Stärke: Weidermann erzählt Geschichten. Er erzählt die Geschichte von Erich Kästner, der mit ansah, wie seine Bücher in die Flammen geworfen wurden. Er erzählt die Geschichte von A.M. Frey, der während des 1. Weltkriegs mit Hitler im selben Regiment diente und dessen abenteuerlichen Flucht aus Deutschland (sein Kollege Alfred Neumann schmuggelte ihn im Kofferraum seines Fahrzeugs über die Grenze nach Österreich). Da ist die Geschichte von Irmgard Keun, die beim Berliner Landgericht Schadensersatzansprüche wegen der Beschlagnahme ihrer Bücherbestände anmeldete.
Unterteilt ist „Das Buch der verbrannten Bücher“ in 23 Kapitel, deren Überschriften thematische Schwerpunkte setzen und Lust aufs Weiterlesen machen. Das Schlump für mich im falschen Kapitel erscheint und seinen Platz bei den anderen Antikriegsbüchern hätte finden müsseb – Schwamm drüber.
Übel nehme ich Weidermann auch nicht, wenn er über Adrienne Thomas schreibt, ihre Bücher seien „stark gefühlt und ziemlich schwach geschrieben“. Für mich ist Die Katrin wird Soldat ist ein hervorragendes Antikriegsroman.
„Die Vergessenen dem Vergessen zu entreissen, … den Sieg der Bücherverbrennung in eine Niederlage zu verwandeln, die Bücher von damals in einem neuen Licht leuchten zu lassen und die dramatischen Geschichten zahlreicher Schriftstellerleben neu zu schreiben“, so Weidermann: „Das ist das Ziel des Buchs.“
Es ist Ihnen gelungen, Herr Weidermann.
Wer „Das Buch der verbrannten Bücher“ noch nicht kennt, sollte sich eine Ausgabe besorgen. Lohnenswert auch ein Besuch des Projekts Digitale Bibliothek verbrannter Bücher.
Weiterlesen kann man auch auf diesem Blog. Anlässlich dieses Beitrags habe ich ein neues Schlagwort Verbrannte Bücher eingerichtet. Hier findet man Bücher, die auf den Scheiterhaufen der Nazis landeten.
Zum Jahrestag der Buchverbrennung habe ich ebenfalls Volker Weidermann gelesen und rezensiert … und deinen Post mit bei mir verlinkt. Ein wertvolles Buch, aber …
Gleichwohl schnellt das böse Literaturkritikerchen etwas zu oft aus der Kiste hervor und will auf Teufel-komm-raus gewitzt und unterhaltsam sein – und das geht manchmal gründlich schief. Schnelle Abkanzelungen wie „wer langsam schreibt ist dumm“ (189), „stark gefühlt und ziemlich schwach geschrieben“ (50) oder „Sein Buch ist leider furchtbar. Rührseelig. Kitschig. Gut gemeint.“ (146) sind unnötige Urteile und im Fall von Georg Fink und Irmgard Keun mitnichten kanonisch. Was ist der Maßstab? Und ist es nicht ein abgedroschener Topos, die letzten Worte eines Dichters zum scherzhaften Kommentar über ein ganzes Leben zu hängen (154, 224)? Ohne den Anteil des urteilenden und clever schreiben wollenden Literaturkritikers hätte mir das Buch noch besser gefallen. Aber auch so bin ich sehr dankbar für die vielen Einblicke.
Vielen Dank auch für deine Arbeit an der Literatur der Weimarer Zeit. Ist auch eines meiner Steckenpferde.
Grüße von David
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