Was hat sich an der Rolle der Frau mit Beginn der Weimarer Republik geändert? Was können Frauen von heute von Frieda Geier lernen? Meine 10 Büchertipps: Welche Frauen sollte man gelesen haben?
Mit der ersten deutschen Republik gingen viele gesellschaftliche Veränderungen einher, insbesondere für Frauen. So erhielten sie im November 1918 das aktive Wahlrecht zugesprochen, und laut der Weimarer Verfassung beruhte die Ehe auf der Gleichberechtigung der Geschlechter. 82 Prozent der Frauen nahm an der Wahl zur verfassungsgebenden Nationalversammlung teil, und dieser gehörten dann 41 Frauen an (das entspricht 9,6 Prozent aller Abgeordneten). Das hört sich wenig an, ist aber ein Anteil, der in der Bundesrepublik erst 1983 wieder erreicht wurde.
Immer mehr Frauen waren krankenversichert, nahmen schließlich immer mehr am Berufsleben teil: Die Gesamtzahl der Lohnarbeiterinnen in Industrie und Handwerk stieg gegenüber zur Vorkriegszeit um 48 %. Allerdings blieben akademische Karrieren, sieht man vom Lehrerberuf ab, doch eher die Ausnahme.
Gleichberechtigt war die „neue Frau“ dennoch nicht: Das Bürgerliche Gesetzbuch legte die Unterordnung der Ehefrau fest, zur Erwerbstätigkeit war das Einverständnis des Ehemanns einzuholen, juristische Berufe standen den Frauen erst gar nicht offen. Während die Volks- und Mittelschulen von Jungen und Mädchen gleichermaßen besucht wurden, betrug der Anteil der Mädchen an höheren Schulen lediglich 33 Prozent. Frauen verdienten etwa ein Drittel der Gehälter der Männer in vergleichbaren Positionen. Und die katholische Kirche lehnte die „unnatürliche Gleichstellung mit dem Mann“ kategorisch ab.
Frau aber wurde selbstbewusster, scheute sich auch nicht vor männlichen Symbolen wie Rauchen, Sport treiben oder Auto fahren. Schriftstellerinnen wie Vicki Baum zeichneten das Bild der Frau nach, die zielstrebig, kritisch und selbstbewusst im Berufsleben steht, und gleichzeitig Familie und Beruf miteinander zu vereinbaren versteht.
Auch Frauen taugten in dieser Zeit zum Helden: 1930 gelang Marlene Dietrich mit dem ersten großen deutschen Tonfilm Der blaue Engel (nach dem Roman „Professor Unrat“ von Heinrich Mann) der Durchbruch zum Weltstar.

Hier sind meine 10 Büchertipps für dich:
10. Agnes Smedley, Eine Frau allein
Smedleys autobiographischer Roman wird nach seinem Erscheinen 1930 in Deutschland begeistert aufgenommen. „Agnes Smedley hat ein so schonungsloses Buch geschrieben wie nie vor ihr eine Frau“, schreibt die Rezensentin Marga Passon im Mai 1930 in der „Vossischen Zeitung“. „Niemand wird ihren Lebensroman unbeteiligt aus der Hand legen.“
Die dänische Schriftstellerin Karin Michaelis äußert sich im „Berliner Tageblatt“. Wenn es nach ihr ginge, hätte Agnes Smedley für ihr Buch den Literaturnobelpreis erhalten müssen.
1894 in Missouri geboren, wächst Agnes Smedley in bitterer Armut auf. In ihrer Kindheit und Jugend erfährt sie Jahre der Entbehrungen.
Ihre Tante arbeitet als Prostituierte, um die Familie zu unterstützen, die Mutter stirbt überarbeitet. Deren Tod stellt die 16jährige Agnes vor die Wahl, das Schicksal dieser beiden Frauen zu teilen, um ihre jüngeren Geschwister zu ernähren oder die Liebe und das Verantwortungsgefühl für ihre Familie in sich zu unterdrücken und einen Weg aus dem Teufelskreis der Armut zu suchen.
9. Gertrud von le Fort, Die Letzte am Schafott
Aktuelle gesellschaftliche Probleme in historischen Stoffen greifbar zu machen, ist die Stärke von Gertrud von le Fort. 1931 veröffentlicht sie die Novelle „Die Letzte am Schafott“ und macht bereits auf die Gefahr des aufkommenden Nationalsozialismus aufmerksam. Zu ihrem Buch habe ich bereits eine Literaturreise unternommen.
8. Mascha Kaléko, Das lyrische Stenogrammheft
Dieser Alltagsgedichtband macht einfach gute Laune. Und ist auch heute noch lange nicht verstaubt. „Mascha Kaléko ist Beobachterin – der Zeit“, schreibt Lutz Weltmann in der C.V.-Zeitung über den Anfang Januar 1933 erschienenen Band „Das lyrische Stenogrammheft“. „Sie hat ihre Melodie im Ohr – und das bestimmt die Form der Gestaltung.“
7. Adrienne Thomas, Die Katrin wird Soldat
Mit Arnold Zweigs „Der Streit um den Sergeanten Grischa“ beginnt 1927 der Siegeszug der Romane, die sich mit dem 1. Weltkrieg auseinandersetzen. Ein Jahr später wird mit Remarques „Im Westen nichts Neues“ der Höhepunkt erreicht und ebbt dann nach und nach ab.
Mit „Die Katrin wird Soldat“ verarbeitet Adrienne Thomas ihre im 1. Weltkrieg gemachten Erfahrungen als freiwillige Rotkreuzhelferin. 1930 erscheint der Roman, der die Autorin bekannt macht und erfolgreich ist: mehr als 200.000 Exemplare werden innerhalb von 2 Jahren verkauft.
6. Marieluise Fleißer, Mehlreisende Frieda Geier
Dieser 1931 erschienene Roman vom Rauchen, Sporteln, Lieben und Verkaufen macht einfach Spaß. Allerdings nur dann, wenn man sich auf die Sprache der „Fleißerin“ einlässt. Derb. Geradeaus formuliert und klar, auf jeglichen Schnickschnack verzichtend. Marieluise Fleißers ganz große Kunst: sie engt ihre Figuren nicht ein, sondern lässt sie agieren. Sie selbst nimmt die Rolle der unsichtbaren, vergnügten Beobachterin ein.
A.M. Frey schreibt im „Simplicissimus“ vom 8. Februar 1932 über den Roman: „Frieda Geier und Gustl Amricht, beide Einwohner einer bayrischen Kleinstadt, geraten aneinander, erst in Liebe, was man so Liebe nennt, dann über die Frage, ob sie sich heiraten sollen. Denn für den Gustl stellt sich endlich heraus, daß er festhängt. Die Frieda beherrscht ihn, ohne herrschen zu wollen; sie möchte viel lieber sich beherrschen lassen. Aber dafür hat der Amricht Gustl nicht das Format; kurz: er imponiert ihr auf die Dauer nicht genügend nach allen Seiten hin, und sie geht. Er will sie halten und verliert dabei selber fast jeden Halt. Kurz vor der Katastrophe kommt er wieder zur Besinnung und wird normal. Und weil er, vor den Zeiten der Frieda, eine Sportkanone war, entdeckt er die neue Aufgabe seines Lebens, die eine alte ist: er wird wieder als bedeutender Schwimmer die ehemalige Vereinskanone werden.“
Der Roman ist unter dem Titel „Eine Zierde für den Verein“ als Taschenbuch bei Suhrkamp lieferbar.

5. Irmgard Keun, Gilgi, eine von uns
„Frech und zärtlich, deutlich und gefühlvoll, aktuell und zeitlos.“ So O.A. Palitzschs Urteil über Irmgard Keuns ersten Roman „Gilgi, eine von uns“ (Besprechung in der „Vossischen Zeitung“ vom 15. November 1931).
Mit Gilgi landet Irmgard Keun einen Volltreffer. Junge Frauen konnten sich mit der Titelheldin identifizieren. Gilgi verkörpert das, was man in Deutschland seit Ende der 1920er Jahre als „neue Frau“ bezeichnet.
Die Welt der jungen Angestellten Gilgi gerät aus den Fugen, als sie den viel älteren großbürgerlichen Martin kennenlernt und von ihm schwanger wird.
Gilgi taugt für viele deutsche Frauen als Vorbild: Sie verlässt Martin und führt ein eigenes selbstständiges Leben.
Eines der herausragenden Romane der Neuen Sachlichkeit!
4. Gabriele Tergit, Käsebier erobert den Kurfürstendamm
Was für eine tolle Idee für einen Roman: die Geschichte der Vermarktung des Sängers Käsebier, der von einem Zeitungsreporter zum Megastar gepuscht wird sowie „das rasche und lautlose Zerplatzen eben dieser Seifenblase“.
Frech geschrieben, alles wirkt frisch, was nicht zuletzt an den Dialogen liegt, die im Berliner Jargon daherkommen.
Auch eine tolle Zeitanalyse und nicht zuletzt eine herrliche Satire auf die Medienlandschaft in der Weimarer Republik.
3. Maria Leitner, Eine Frau reist durch die Welt
1925 reist Maria Leitner im Auftrag des Ullstein Verlags in die USA und berichtet von dort über ihre Erfahrungen, bspw. als Zimmermädchen, Küchenhilfe usw. 1932 werden ihre Reportagen zu einem Buch zusammengefasst: „Eine Frau reist um die Welt“. Ein tolles Buch.
Die Reportage, und das ist vor allen Dingen dem rasenden Reporter Egon Erwin Kisch zu verdanken, gewinnt ab Mitte der 1920er Jahre immer mehr Raum in der Literaturlandschaft Deutschlands. Vor allen Dingen bemühen sich die Autoren und Autorinnen, neue Möglichkeiten zu finden, ein unmittelbares Verhältnis von Literatur und Wirklichkeit herzustellen.
Auszüge aus dem 1. Kapitel des Buches findest du auf hier auf meinem Blog.
2. Anna Seghers, Der Ausflug der toten Mädchen
In der ihr eigenen reduzierten, auf das Wesentliche gerichteten Sprache schreibt Anna Seghers über einen Schulausflug im Jahr 1912 und ihre Schulkameradinnen, die in Hitler-Deutschland und im 2. Weltkrieg untergehen. Die Erzählung schreibt sie, wie weitere große Erfolge, die Romane „Transit“ und „Das siebte Kreuz“, im mexikanischen Exil.
Meine Vorstellung der Erzählung findest du hier: Mein Ausflug zu dem toten Mädchen
1.Vicki Baum, Menschen im Hotel
Unterhaltungsliteratur, werden jetzt einige abwinken. Ja. Aber ein Buch soll mich ja auch unterhalten. Und das geschieht bei Vicki Baum auf einem literarisch sehr hohen Niveau.
Ihr Erfolgsroman, im April 1929 zunächst als Vorabdruck in der „Berliner Illustrirten“ erschienen, im gleichen Jahr als Buch, spielt in einem Berliner Luxushotel und stellt die Beziehungen einzelner Gäste untereinander in den Mittelpunkt der Handlung.
Der Roman wird ein Welterfolg und ist auch bald nach Erscheinen ein Hit auf den Theaterbühnen und der Kinoleinwand.