Hermann Hesse – Demian

Roman, S. Fischer Verlag, 1919

Was ist die Botschaft des Romans? Warum veröffentlichte Hesse das Buch zunächst unter Pseudonym? Warum traf es den Nerv der Zeit und begeisterte vor allem die Jugend?

Wie gut, dass ich auf dem Schmutztitel eines jeden Buches schreibe, wann ich es gelesen habe. 1979 – ich war fünfzehn Jahre alt – fiel mir in meiner Stammbuchhandlung „Demian“ in die Hände. Mein erster Hesse. 1980 wurde dann mein Hesse-Jahr: gleich neun weitere Erzählungen und Romane habe ich verschlungen, darunter meine beiden Lieblingsbücher von ihm: „Unterm Rad“ und Narziß und Goldmund.

Held des Romans ist Emil Sinclair, der aus kleinbürgerlichem Elternhaus stammt. Der Zehnjährige hat das Gefühl, in zwei Welten zu leben: Die eine Welt – das Elternhaus, die Schule – ist licht, sauber, ordentlich. Emil aber fühlt sich magisch angezogen von der ihm fremden dunklen Welt derer, die nicht zur guten Gesellschaft gehören. Tatsächlich gerät er schon bald in den Bann dieser dunklen Seite. Sein Mitschüler Franz Kromer, ein mittelloser Schneidersohn, stiftet ihn zu kleinen Diebstählen an und bringt Sinclair in seine Abhängigkeit.

Hiervon lösen kann er sich erst durch die Hilfe Max Demians. Demian ist ein älterer, bereits erwachsen wirkender Schüler, der allein mit seiner Mutter lebt. Bei einem Zusammentreffen sagt Demian Emil auf den Kopf zu, dass dieser sich vor Kromer fürchtet. Als Emil diesen kurze Zeit später auf der Straße begegnet, weicht Kromer ihm aus. Emil wird klar, dass Demian hinter diesem Verhalten steckt. Statt ihm dafür zu danken, meidet Emil ihn. Er spricht sich mit seinen Eltern aus, die ihn mit offenen Armen empfangen. Emil lebt wieder in seiner heilen Welt.

Jahre später, in der Pubertät, gewinnt die dunkle Welt in Gestalt von lüsternen Träumen wieder Einfluss auf ihn. Sein Interesse für Demian, der Gerüchten zufolge ein inzestuöses Verhältnis mit seiner Mutter haben soll, erwacht erneut. Ein stetig wiederkehrender Traum beschäftigt Emil: Er kommt in sein Elternhaus, will seine Mutter umarmen und diese nimmt die Gestalt einer anderen weiblichen Gestalt an, die Demian ähnelt und begehrenswert ist. Jahre später, nach Abschluss der Schulzeit, entdeckt Emil eine alte Fotografie von Demians Mutter und erkennt in ihr die Frau seiner Träume.

Er lernt Demians Mutter kennen. Gerade als Emil glaubt, seine Liebe zu ihr stehe kurz vor der Erfüllung, bricht der Krieg aus. Emil und Demian müssen an die Front. Ein letztes Mal sieht er Demian, als sie beide schwerverletzt in einem Feldlazarett liegen. Demian gibt ihm einen Kuss von seiner Mutter.

Werde, wer du bist, lautet die Botschaft des Romans. Und das kam an, sowohl bei der Kritik (dem Werk wurde der Fontane-Preis verliehen) als auch beim Leser. Der Roman traf den Zeitgeist wie kein anderer. Eine aus dem Ersten Weltkrieg verstört heimkehrende Jugend hatte Fragen: Woran sollte man sich nach dem Chaos des Krieges noch halten? Was wird die Zukunft bringen?

An Demian konnte sich diese Generation orientieren. Diese literarische Figur gab Halt in einer unsicheren Zeit.

Bereits ein Jahr nach Erscheinen des „Demian“ lag der Roman in dritter Auflage vor. Nun stand auch Hermann Hesse auf dem Cover. Zunächst wurde der Roman unter dem Pseudonym Emil Sinclair veröffentlicht. Das Versteckspiel dauerte ein knappes Jahr. Dann stellte Otto Flake in einer Besprechung des Romans Textvergleiche mit dem Frühwerk Hesses an – kurz darauf musste sich Hesse als Autor outen.

Er habe nicht als alter Onkel dastehen wollen, der mit vierzig der Jugend die Welt erklärt, begründete der Autor sein Versteckspiel.

Das klingt plausibel, entspricht aber nicht der Wahrheit. Tatsächlich ist der Roman das persönlichste Buch Hesses. 1916 war sein Vater gestorben. Hesse, der an einer neurotischen Vaterfixierung litt, bekam Depressionen, die er mit einer Psychotherapie behandeln ließ. Man muss kein Psychologe sein, um in dem Roman die Geschichte einer Psychoanalyse zu erkennen.

Hesses Sitzungen bei einem Schüler C.G. Jungs verliefen erfolgreich. Er fühlte sich von seinen Depressionen befreit und konnte seinen Roman innerhalb weniger Wochen verfassen.

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