Hermann Hesse- Narziß und Goldmund

Erzählung, S. Fischer Verlag, 1930

Was unterscheidet Hesses Schreibstil von dem der Neuen Sachlichkeit? Was sieht Narziß in Goldmund? Wie äußert sich Thomas Mann zu Hesses Erzählung?

„Die soziale Anklage sinkt im Kurs, die Aktien von Narziß und Goldmund steigen“, sagt Carl von Ossietzky 1931 in Anspielung auf die Abwendung vieler Autoren von der reportagehaften Neuen Sachlichkeit und ihrem politischen Engagement hin zu einem eher beobachtenden, die innere Seelenlandschaft beschreibenden Schreibstil. Einer von dessen wichtigsten Vertretern ist Hermann Hesse. Seine Schreibe kommt an, vor allen Dingen bei der Jugend, und auch ich machte dabei keine Ausnahme: Hesse lesen mit 16, 17 Jahren war „in“ wie die erste Zigarette rauchen, oder den ersten Sex zu haben mit einem ebenso unerfahrenen Mädchen.

In seiner Erzählung, die in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts spielt und doch zeitlos erscheint personifiziert und polarisiert Hermann Hesse in einem Freundespaar zwei grundsätzlich unterschiedliche Lebenshaltungen, die einen beträchtlichen Bezug zu seinem Leben aufweisen. Hier der Mönch Narziß, asketisch lebend und mit großer Selbstdisziplin ausgestattet, für den Intellekt und den Wunsch des Autors nach Anerkennung stehend. Dort der kreative Goldmund, ein Künstler, der das Sinnliche verkörpert, die Frauen liebt und mit einem außerordentlichen Drang nach Freiheit versehen ist, den auch Hesse stets verspürte.

Die Handlung beginnt im Kloster Mariabronn. Der junge, wissenschaftlich begabte Narziß, vom Abt als Hilfslehrer für Griechisch eingesetzt, hat sich bewusst fürs Klosterleben entschieden. Als dem Kloster ein neuer Zögling, Goldmund – mutter- und geschwisterlos bei seinem Vater, einem kaiserlichen Beamten, aufgewachsen – zugeführt wird, schließen die beiden unterschiedlichen Charaktere schnell Freundschaft. Narziß sieht in dem sinnlichen, phantasievollen, weltzugewandten Jungen eine Ergänzung seines eigenen Wesens.

Nach einem heimlichen, verbotenen Ausflug ins nahe gelegene Dorf, einen Kuss von einem jungen Mädchen erhaltend, erkennt Goldmund, dass er von den weltlichen Verlockungen stärker angezogen wird als von der Askese des Klosters. Er beichtet Narziß sein Vergehen und ist bestrebt, seinen sinnlich-vitalen Drang zu unterdrücken. Dies gelingt ihm nur für einige Zeit; nach einem Erlebnis mit einer Zigeunerin verlässt Goldmund, zuvor Narziß von seinem Entschluss informierend, das Kloster.

Goldmund führt fortan das Leben eines Vagabunden. Auf seinen weiten Reisen – harte Entbehrungen und genussreiche Stunden wechseln einander ab – erfährt er zahlreiche Liebesabenteuer. Diese und die Tötung eines anderen Vagabunden aus Notwehr lassen ihn zum Mann reifen. Ruhe findet er aber erst, als er in einer Klosterkirche eine Marienstatue erblickt. Es gelingt ihm, bei deren Schöpfer, dem Schnitzer Niklaus, in die Lehre zu treten. In langen Jahren vervollkommnet sich Goldmunds Kunst und findet Anerkennung in einer Narziß nachgebildeten Johannesstatue. Niklaus trägt ihm den Meisterbrief und die Hand seiner Tochter an, doch wiederum treibt Goldmunds Unrast ihn auf weitere Wanderschaften. Er erlebt die Schrecken der Pest (der auch Niklaus zum Opfer fällt), dann die Roheit der Überlebenden.

In Agnes, der Geliebten eines kaiserlichen Statthalters, trifft er sein Frauenideal. Vom Statthalter in flagranti ertappt, wird er eingesperrt und zum Tode verurteilt. Narziß, inzwischen zum Abt Mariabronns aufgestiegen, kann ihn vor dem Galgen retten. Gemeinsam kehren Sie ins Kloster zurück. Dort richtet sich Goldmund eine Werkstatt ein und gestaltet eine Reihe von Kunstwerken.

Doch noch als alter Mann fühlt sich Goldmund nicht sesshaft. Er bricht auf, Agnes zu besuchen, wird aber von ihr abgewiesen. Auf dem Rückweg zum Kloster stürzt er vom Pferd und zieht sich schwere Verletzungen zu. Nur mit Mühe erreicht er Mariabronn und stirbt in den Armen von Narziß. Dieser verliert mit dem Tode Goldmunds die andere, ihm selbst immer fremd gebliebene Seite des Menschseins.

Thomas Mann notiert über die Erzählung in seinem Tagebuch am 6.12.1930: „… ein wunderschönes Buch in seiner poetischen Klugheit, seiner Mischung aus deutsch-romantischen und modern-psychologischen, ja psychoanalytischen Elementen.“

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