Roman, Zsolnay Verlag, 1931
Mit welchen Romanen lässt sich Brods Werk vergleichen? Welche Zeit beschreibt der Autor?
Max Brods Zauberberg. Der Prager Zauberberg. Wenn von „Stefan Rott oder Das Jahr der Entscheidung“ die Rede ist, so ist der Vergleich mit Thomas Manns Roman aus dem Jahr 1924 nie fern. Ein weiteres Werk kommt mir in den Sinn, Robert Musils Der Mann ohne Eigenschaften, 1930, einige Monate vor Max Brods Buch erschienen.
Alle drei Romane setzen zeitlich im letzten Vorkriegsjahr 1913 ein und zeichnen das Bild einer Gesellschaft in einer Welt, die mit dem Ausbruch des Weltkrieges für immer verloren ist.
Vom Umfang her ist Brods Stefan Rott schmaler als die beiden anderen Romane, mit knapp 600 Seiten aber immer noch ausladend. Die Geschichte selbst ist sehr einfach gehalten: Stefan Rott ist ein 17-jähriger Prager Gymnasiast aus wohlhabendem Elternhaus. Über die Philosophie versucht er sich die Welt zu erklären und findet in seinem Religionsprofessor Werder einen Gegenpol zu seinen weitschweifenden Überlegungen. Stefan verliebt sich erstmals – in Phyllis, der schönen Mutter seines Klassenkameraden Anton (und wird auch von ihr erhört).
Es ist eine Zeit der Sorglosigkeit, der angenehmen Langeweile, des Müßiggangs auf dem Tennisplatz, die Brod in allen Einzelheiten beschreibt. Doch schon bald zeigen sich erste Risse: Anton, der mit Haut und Haaren Anarchist wird, Phyllis, die ein Verhältnis mit dem Advokaten Dr. Urban hat, der der schönen Frau hörig ist und ihrem bankrotten Mann das Geld zahlt, damit dieser seine Firma über Wasser halten kann.
Und dann fallen ohne Vorankündigung zwei Schüsse. Der eine in Prag, der zweite in Sarajewo.
Der Erste Weltkrieg – die Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts. Dass er so denkt, daran lässt Max Brod in seinem Roman keinen Zweifel. Der letzte Satz seines Buches lautet: „Nun also ging der Krieg weiter und, aller guten Bindungen ledig, setzte die Erdkugel an zu ihrem großen Sturz ins Nichts.“
Es ist das Ende des alten Europa.