Chronik der Literatur in der Weimarer Republik – 1924

17. Januar

Anlässlich der Aufführung von Ernst Tollers „Hinkemann“ kommt es in Dresden zu Störungen durch Nationalsozialisten. Weitere Aufführungen des pazifistischen Stückes und Berlin finden deshalb unter Polizeischutz statt.

14. Februar

In Stuttgart wird das Schauspiel „Der arme Konrad“ nach Friedrich Wolf uraufgeführt. Der sozialistische Dramatiker setzt sich in dem Stück mit der deutschen Novemberrevolution von 1918 auseinander.

16. Februar

Der S. Fischer Verlag kündigt in einer Anzeige in der „Vossischen Zeitung“ das Erscheinen von Alfred Döblins (Zukunfts-)Roman „Berge Meere und Giganten“ an.

19. März

Uraufführung von Bertolt Brechts Schauspiel „Leben Eduards des Zweiten von England“ in den Münchener Kammerspielen.

27. März

Im Lessing-Theater in Berlin wird die Komödie „Kolportage“ von Georg Kaiser uraufgeführt. „Kolportage“ gehört in der Folgezeit zu den erfolgreichsten Bühnenstücken der 1920er Jahre.

Franz Kafkas Novellenband „Ein Hungerkünstler“ erscheint in Prag.

4. april

Karl Valentins Stegreifkomödie “Die Raubritter vor München” wird in den Münchener Kammerspielen mit großem Erfolg uraufgeführt. Hermann Hesse hält es für „ein wunderbares Stück, eine außerordentliche Viecherei”.

26. Mai

Franz Werfels Drama „Juarez und Maximilian“ wird im Wiener Theater in
der Josefstadt uraufgeführt.

3. Juni

Franz Kafka stirbt – 40jährig, viel zu früh – in einem niederösterreichischen Sanatorium.

9. Juni

In Frankfurt am Main wird Ernst Kreneks komische Oper „Der Sprung über den Schatten“ uraufgeführt. Lesenswert: Kreneks Erinnerungen „Im Atem der Zeit“.

11. Juni

Franz Kafka wird auf dem jüdischen Friedhof in Prag-Straschnitz bestattet.

11. Juli

Ernst Toller, der wegen seiner Beteiligung an der Münchner Räterepublik 1919 zu fünf Jahren Festungshaft verurteilt worden war, wird aus der Haft entlassen und am 15. Juli aus Bayern ausgewiesen. Bei der Aufführung seines Antikriegsstücks “Hinkemann” in Berlin am 18. Juli wird er vom Publikum stürmisch gefeiert.

18. Juli

Anlässlich ihres 60. Geburtstages würdigt Thomas Mann die Erzählerin und Lyrikerin Ricarda Huch mit einem Essay. Darin bezeichnet er die Jubilarin als die „erste Frau Europas“.

20. Juli

In der „Vossischen Zeitung“ beginnt der Vorabdruck des neuen Romans von Jakob Wassermann. „Faber oder Die verlorenen Jahre“ wird ein großer Erfolg.

27. Juli

Das Organ der SPD, die Tageszeitung „Vorwärts“, beginnt mit dem Abdruck von Joseph Roths Roman „Die Rebellion“. Im Anschluss an den Vorabdruck, der am 29. August endet, wird Roths Buch im Verlag „Die Schmiede“ veröffentlicht.

4. august

Für die Malik-Buchhandlung in Berlin schafft John Heartfield seine erste Fotomontage mit zeitgeschichtlichem Thema: „Nach zehn Jahren – Väter und Söhne 1924“.

26. August

Im Renaissance-Theater in Berlin wird das Drama „Tanja“ von Ernst Weiß uraufgeführt.

29. August

Die Büchergilde Gutenberg wird in Leipzig gegründet. Ihr Ziel: Den unteren Schichten soll mit preiswerten Büchern Zugang zu Bildung und Kultur ermöglicht werden. Nachdem die Büchergilde 1933 von den Nazis gleichgeschaltet wird (sie zählt zu diesem Zeitpunkt 85.000 Mitglieder), startet sie 1949 in der Bundesrepublik erneut. Stefan Zweig, Golo Mann oder Erich Kästner finden sich unter den Autoren.

15. September

Von Hedwig Courths-Mahler erscheint der Roman „Die schöne Melusine“.

18. September

Der schwedische Film „Gösta Berling“ nach dem gleichnamigen Roman von Selma Lagerlöf kommt in die deutschen Kinos. Greta Garbo ist als Gräfin Dohna in ihrer Debütrolle zu sehen.

27. September

Am Württembergischen Landestheater Stuttgart wird Ernst Barlachs „Die Sündflut“ uraufgeführt.

29. September

Anlässlich des Erscheinens der 29. Auflage des historischen Romans „Caspar Hauser oder die Trägheit des Herzens“ von Jakob Wassermann veröffentlicht die „Vossische Zeitung“ eine Würdigung des Werkes.

1. Oktober

Der Ullstein Verlag veröffentlicht die erste Ausgabe des Monatsmagazins „UHU“. Dank einer intensiven Werbekampagne wird die Zeitschrift den Verkäufern aus der Hand gerissen. Auch Bertolt Brecht und Kurt Tucholsky schreiben für das Magazin. „UHU“ bezieht in den folgenden Jahren bereits früh Stellung gegen den Nationalsozialismus, bspw. in der im Oktober 1931 erscheinenden Karikatur von Fritz Eichenberg „Hitler erhält den Friedensnobelpreis 1932“.

11. Oktober

Im Wiener Burgtheater wird Arthur Schnitzlers „Komödie der Verführung“ uraufgeführt.

21. Oktober

Ernst Kreneks Oper „Zwingburg“ wird in der Berliner Staatsoper uraufgeführt. Das Libretto stammt von Franz Werfel.

29. Oktober

Mit seiner Inszenierung von Bertolt Brechts Drama „Im Dickicht“ (späterer Titel: „Im Dickicht der Städte“) am Deutschen Theater in Berlin gelingt Erich Engel der Durchbruch als Regisseur. Engel hatte auch die Uraufführung des Stücks am 9. Mai 1923 in München inszeniert und war dann in die Reichshauptstadt gewechselt.

1. November

Im Zsolnay Verlag erscheinen Briefe des 1911 verstorbenen österreichischen Komponisten und Dirigenten Gustav Mahler. Herausgeberin ist die Witwe Alma Maria Mahler, die nach dem Tod ihres Mannes und einer kurzen Beziehung zu Oskar Kokoschka an Architekten Walter Gropius geheiratet hat.

21. November

Ernst Barlach wird mit dem Kleist-Preis ausgezeichnet.

28. November

Der S. Fischer Verlag veröffentlicht Thomas Manns Roman „Der Zauberberg„. Bis zum letztmöglichen Tag hat der Autor an dem 1912 begonnenen Werk gearbeitet. Obwohl das Buch mit 21 Mark nicht billig ist, wird „Der Zauberberg“ das literarische Ereignis des Jahres 1924. Bis Jahresende verkaufen sich über 30.000 Exemplare.

19. Dezember

Erich Mühsam wird auf Bewährung vorzeitig aus der Haft entlassen, zu der er wegen Beteiligung an der Münchner Räterepublik verurteilt worden ist.

30. Dezember

Mit Max Reinhardts aufsehenerregender Inszenierung von Luigi Pirandellos “Sechs Personen suchen einen Autor” im Berliner Theater Komödie wird eine “Pirandello-Mode” im Deutschen Reich ausgelöst.

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