Werner Bergengruen – Die Feuerprobe

Novelle, Verlag Philipp Reclam jun., 1933

Was ist eine Novelle? In welcher Zeit spielt Bergengruens „Feuerprobe“? Und in welcher Stadt? Was macht die Novelle für mich zu einem Ich-lese-es-in-einem-Zug-aus-Erlebnis?

Bücher von Schriftstellern mit religiöser Grundhaltung in meinem Bücherregal zu finden, war eine der großen Überraschungen meiner Recherchen zu diesem Buch. Und Werner Bergengruen tauchte gar zweimal auf (Der spanische Rosenstock und Die Feuerprobe). Gut, dass ich mir auf der Titelei eines Buches das Datum notiere, an dem ich den jeweiligen Titel ausgelesen habe: 1981 (mit 17 Jahren) machte ich meine Bekanntschaft mit dem Schreiben Bergengruens, wahrscheinlich zufällig. Denn Schullektüre waren beide Bücher nicht. So werden beide Bändchen wohl in einer der vielen Buchhandlungen ausgelegen haben, die ich so gern besuchte. An ein gezieltes Bestellen kann ich mich jedenfalls nicht mehr erinnern, und Buchgeschenke akzeptiere ich nur mit Widmung des Schenkenden, zur Not nachträglich.

Über das Kaufmotiv gibt es aber keine Zweifel. Seitdem mit Michael Kohlhaas von Heinrich von Kleist die erste Novelle im Deutschunterricht gelesen wurde, bin ich von dieser Literaturgattung begeistert. Und wurde noch nie enttäuscht: egal, ob nun Storms Der Schimmelreiter, von Droste-Hülshoffs Die Judenbuche auf dem Lehrplan stand oder Stefan Zweigs Schachnovelle.

Eine Novelle ist eine Erzählung von kürzerer bis mittlerer Länge, in deren Mittelpunkt ein einziges Ereignis steht, oder – so wurden uns die Worte Goethes im Unterricht eingebimst -„eine sich ereignende unerhörte Begebenheit. Wenden wir uns diesem Skandal einmal zu: Die Feuerprobe spielt in Riga, zu einem nicht näher definierten Zeitpunkt während der Renaissance-Zeit. Dem reichen Ratsherren Tidemann Gripen wird das in der Stadt umher- gehende Gerücht zugetragen, seine Frau Barbara habe ihn mit dem jungen Schwenkhusen betrogen. Umgehend stellt er Barbara zur Rede, doch diese weigert sich den Treuebruch zu gestehen. Und Schwenkhusen kann Gripen nicht mehr befragen: Zu Kampfhandlungen aufgebrochen, wird kurze Zeit später dessen Tod verkündet.

Um seine Ehre zu retten, fordert Gripen von seiner Frau, sich öffentlich der Feuerprobe, einem Gottesurteil, zu unterziehen: Eisen wird in Holzkohlen geglüht und der beschuldigten Person in die nackte Hand gelegt. Weigert sich Barbara zunächst mit Verweis auf die Stadtrechte, die keinen Bürger zu einer Probe zwingen, so lässt sie ihrem Mann Stunden später von einer Magd ihre Zustimmung übermitteln. Sie selbst bricht zu einem Aufenthalt ins Jungfernkloster zu St. Marien auf, in dem sie ihre Untreue beichtet und bereut.

Als sie Tage später nach dem Hochamt in der überfüllten Sakristei der Kirche das glühende Eisen trägt, bleibt sie Dank ihrer Beichte unversehrt. Die Bürger Rigas behandeln sie fortan wie eine Heilige, der Zorn der Bevölkerung richtet sich gegen ihren Ehemann. Gripen, der sein Tun bereut, ist bereit, sich seiner Gattin in jeder Beziehung zu unterwerfen. Er stiftet auf ewige Zeiten zwei Messen (eine für seine Frau, eine für Schwenkhusen), die am Jahrestag der Feuerprobe in der Rigaer Kirche gelesen werden sollen, wird aber weiterhin von den Bürgern gemieden. Seine Frau, überzeugt davon, Gott bezwungen zu haben, vereinsamt durch ihren eigenen Hochmut.

Fast ein Jahr später taucht der tot geglaubte Schwenkhusen auf. Von seiner Mutter über die Geschehnisse informiert, trifft er sich mit Barbara, und überzeugt sie, durch das Wunder für immer mit ihr verbunden zu sein. Heimlich setzen sie den Ehebruch fort.

Barbara fühlt sich am Jahrestag der Feuerprobe nach der ersten Messe (die zweite, gestiftete soll nachfolgen) magisch angezogen von dem Eisen, das auf Gripens Wunsch hin auf den Altarstufen ausliegt, und greift danach. Mit den Worten „Ich brenne! Ich brenne!“ bricht sie tot in der Kirche zusammen.

Packend, spannend geschrieben, ein Ich-lese-es-in-einem-Zug-durch-Erlebnis. Dazu eines, das mit 2 Euro nicht allzu sehr das Portemonnaie belastet (Reclams Universal Bibliothek Nr. 7214).

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