Georg von der Vring – Soldat Suhren

Roman, Paul Zsolnay Verlag, 1927
Warum ist dieser Roman heute weitgehend vergessen? Was unterscheidet „Soldat Suhren“ von anderen Antikriegsromanen der Weimarer Republik? Und weshalb gehört er dennoch zu den frühesten und konsequentesten literarischen Absagen an den Krieg?

Als „Soldat Suhren“ 1927 erscheint, ist der Erste Weltkrieg noch keine abgeschlossene Vergangenheit. Die politischen und gesellschaftlichen Verwerfungen wirken fort, und die Literatur beginnt erst allmählich, Formen für das Erlebte zu finden. Georg von der Vring, 1889 geboren und selbst Kriegsteilnehmer, entscheidet sich in seinem Roman gegen Pathos, gegen Heldengeschichten und gegen die spektakuläre Darstellung des Grauens.

Der Weg zur Veröffentlichung ist mühsam. Zahlreiche Verlage lehnen das Manuskript ab, bevor „Soldat Suhren“ schließlich erscheint. Dann aber findet der Roman sein Publikum und macht von der Vring schlagartig bekannt. Die zeitgenössische Kritik reagiert zwiespältig: Gelobt wird die stilistische Eigenständigkeit, irritiert zeigt man sich über den zurückgenommenen Ton und die auffällige Abwesenheit klassischer Frontszenen. Thomas Mann äußert sich anerkennend über das Buch, das sich deutlich von anderen Kriegserzählungen seiner Zeit absetzt.

Denn „Soldat Suhren“ ist kein Roman über Schlachten. Suhren meldet sich zum Militär, durchläuft Ausbildung und Etappendienst, schreibt Gedichte, denkt an seine Geliebte und beobachtet seine Umgebung mit einer Mischung aus Ironie, Müdigkeit und innerer Distanz. Der Krieg bleibt lange fern, beinahe abstrakt. Erst spät wird Suhren an die Front versetzt – und selbst dort verweigert der Text jede heroische oder dramatische Zuspitzung.

Im Unterschied zu Arnold Zweigs Der Streit um den Sergeanten Grischa, Ludwig Renns Krieg oder später Erich Maria Remarques Im Westen nichts Neues verzichtet von der Vring auf dokumentarische Genauigkeit und auf die direkte Darstellung von Grauen. Der Krieg erscheint als Zustand der Sinnentleerung, als monotone Verwaltungs- und Befehlswelt, die das Individuum nicht bricht, sondern innerlich auszehrt.

Suhren ist kein Rebell, kein Zyniker, kein Märtyrer. Er entzieht sich innerlich, ohne offen zu widersprechen. Gerade diese Haltung verleiht dem Roman seine eigentümliche Spannung. Der Krieg wird nicht als Ausnahmezustand erzählt, sondern als Verlängerung eines ohnehin entfremdeten Alltags – und verliert dadurch jede Bedeutung, jede Legitimation.

Gelegentlich wurde Soldat Suhren mit Jaroslav Hašeks „Der brave Soldat Schwejk“ verglichen. Der Vergleich trägt nur bedingt: Suhren ist kein Schelm, keine satirische Figur, sondern ein stiller Beobachter. Die Ironie des Romans ist leise, oft kaum merklich, und gerade deshalb wirksam.

Zwei Jahre vor Remarques Welterfolg formuliert Georg von der Vring mit „Soldat Suhren“ eine der frühesten literarischen Antikriegshaltungen der Weimarer Republik. Dass der Roman heute kaum noch gelesen wird, liegt weniger an seiner literarischen Qualität als an der Überlagerung durch spätere, lautere Texte.

Soldat Suhren“ ist kein Buch, das erschüttert. Es wirkt langsamer und nachhaltiger. Ein Roman, der dem Krieg nicht widerspricht, sondern ihm schlicht jede Bedeutung entzieht.

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