Wolf Durian – Kai aus der Kiste

Kinderroman, Franz Schneider Verlag, 1926

Wie entstand die Idee zu dem Kinderroman? Warum lese ich das Buch auch als Erwachsener noch gerne?

Und gleich zu Beginn dieser ganz unglaublichen Geschichte (so der Untertitel) steigt „Kai aus der Kiste“. Ohne diesen Trick wäre der Berliner Hinterhofjunge wahrscheinlich nicht in das Hotelzimmer von Joe Allan van Braams gekommen. Der Amerikaner ist Unternehmer und hat am Tag seiner Ankunft in allen Berliner Tageszeitungen inseriert:

DER SCHOKOLADENKÖNIG

sucht

EINEN REKLAMEKÖNIG

Hotel Imperator Zimmer 12

So stehen sich der Schokoladenkönig, der ein neues Produkt in Deutschland einführen möchte und die Große Klapperschlange, wie Kai von seinen Freunden genannt wird, im Hotelzimmer gebenüber. Der Amerikaner ist skeptisch, als sich der Junge bei ihm als Reklamekönig bewirbt, nimmt aber ein Wettangebot des Jungen an: „Ich setze tausend Dollar gegen deine Schleuder, wenn ich morgen Vormittag fünf Menschen begegne, die von dir reden.“

Klar, dass Kai mit Hilfe seiner Bande, dem Geheimbund der schwarzen Hand, die Wette gewinnt. Und natürlich setzt sich Kai auch gegen den fiesen Reklameagenten Kubalski im Wettbewerb um den Titel des Reklamekönigs durch, obwohl Kubalski aller Register zieht, um Kai aus dem Rennen zu werfen und ihm noch die Polizei auf den Hals hetzt.

Wie spannend habe ich diese Geschichte als Kind empfunden, atemlos bin ich dem Geschehen gefolgt. Da wird es mir wohl so ergangen sein wie so vielen Kindern, die ab Herbst 1924 den Roman als Fortsetzungsgeschichte in der Kinderzeitschrift „Der heitere Fridolin“ lasen, die vom Ullstein Verlag herausgegeben wurde.

„In einer Redaktionssitzung suchte man händeringend nach einer spannenden Fortsetzungsgeschichte. Es sollte etwas Neues sein, so witzig und fesselnd geschrieben, dass Tausende von Kindern darauf brennen würden, die nächste Nummer der Zeitschrift zu kaufen“, schreibt Sibylle Durian, die Tochter des Autoren, in ihrem Nachwort des Buches, das in der Reihe „Dressler Klassiker“ erscheint. Wolf Durian nimmt sich der Sache an und ist selbst überrascht über den Erfolg, den „Kai aus der Kiste“ erzielt. „Der heitere Fridolin“ verdoppelt innerhalb kürzester Zeit seine Auflage, Wolf Durian wird Chefredakteur des Blattes. 1926 erscheint der Kinderroman als Buch im Franz Schneider Verlag.

Ich habe das Buch heute nach langer Zeit wieder gelesen. Es hat mir nach wie vor Spaß gemacht! Das liegt vor allen Dingen an der Sprache Durians. Mit was für einem irren Tempo erzählt er seine Geschichte! Da pfeift es in den Hinterhöfen, da rasen die Omnibusse und Straßenbahnen, da lassen sich Jungen auf Rollschuhen von Lastwagen ziehen, da bremsen Autos und Hupen, da quietschen Reifen, da ist das Tohuwabohu der Großstadt Berlin zu spüren.

Auch noch heute. Ein wunderbares Buch! Auch für junggebliebene Erwachsene!

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