Carl Zuckmayer – Der Hauptmann von Köpenick

Schauspiel, 1931

Über welchen Umweg lernte ich Zuckmayers Werk kennen? Was zeichnet dessen Schauspiele aus? Welches reale Geschehnis wird in dem Schauspiel aufgegriffen?

Was haben wir nicht in all den Jahren auf der Penne Bertolt Brecht durchgekaut! Das begann in der neunten oder zehnten Klasse und zog sich dann die Oberstufe durch. Kaum bekam man einen neuen Deutschlehrer, lernte man bereits ein neues Brecht-Stück kennen. Ich will mich nicht beschweren, Brecht habe ich immer gemocht, aber es ist schade, dass dabei der Dramatiker außer Acht gelassen wurde, der mir am nächsten steht: Carl Zuckmayer.

Erst auf Umwegen lernte ich sein Werk kennen. Ich bin sicher, dass viele diesen Umweg kennen, es handelt sich um die Helmut-Käutner-Verfilmung Der Hauptmann von Köpenick aus dem Jahr 1956 mit Heinz Rühmann in der Rolle des Wilhelm Voigt. Was für eine Paraderolle für Rühmann!

Und so ordne ich Zuckmayer meiner ersten Reise zu, obwohl er auf der sechsten Reise, die der Bühnenliteratur vorbehalten, eigentlich nicht fehlen dürfte. Aber dann hätte ich vor dem Dilemma gestanden, mich für ein Schauspiel von ihm entscheiden zu müssen: Der fröhliche WeinbergSchinderhannesKatharina Knie oder eben Der Hauptmann von Köpenick.

Egal, welches Stück ich gewählt hätte, allen gemeinsam ist die Lebensnähe, die Zuckmayers Werke auszeichnet. Bei ihm steht der Mensch mit seinen Stärken und Schwächen, mit all seiner Komik und mit all seiner Tragik im Mittelpunkt des Geschehens.

Und so verwundert es nicht, dass Zuckmayer die Geschichte des arbeitslosen Wilhelm Voigt aufgreift, der sich am 16. Oktober 1906 eine Hauptmannsuniform anzieht, eine Gruppe Soldaten, denen er auf der Straße begegnet, unter seinen Befehl stellt und zum Rathaus von Köpenick zieht. Dort lässt er den Bürgermeister in Gewahrsam nehmen und macht sich mit der Stadtkasse aus dem Staub. Ganz Deutschland lachte über diesen Streich. Zuckmayer verwandelte den Stoff in ein deutsches Märchen in drei Akten, in eine den preußischen Militarismus, seinen Uniformenkult, seine unmenschliche Bürokratie entlarvende Satire.

Die Handlung spielt vor dem ersten Weltkrieg. Hauptmann von Schlettow lässt sich im Berliner Uniformgeschäft Wormser eine neue Uniform anpassen. Während seines Gesprächs mit dem Zuschneider Wabschke schaut Wilhelm Voigt zweimal zur Tür herein. Er sucht Arbeit, wird jedoch gleich wieder vor die Tür gesetzt.

Voigt begibt sich zum Potsdamer Polizeibüro. Dort bittet er um eine Aufenthaltsgenehmigung oder einen Pass, da er sonst keine Arbeit bekommt. Beides wird ihm verweigert, da er nach 15 Jahren Haft erst kürzlich aus dem Gefängnis entlassen wurde. Ohne Arbeit keine Aufenthaltsgenehmigung, ohne Aufenthaltsgenehmigung keine Arbeit, lautet Voigts Teufelskreis.

Voigt trifft am nächsten Tag seinen Pennerbruder Kalle in einem Café. Auch von Schlettow taucht dort auf, diesmal in Zivil, da das Lokal für das Militär verboten ist.

Eine Frau betritt das Lokal und wird von einem betrunkenen Gardegrenadier bedrängt. Der Hauptmann schreitet ein, doch seine Befehle an den Grenadier bleiben ungehört, denn dieser lässt sich nichts von einem normalen Zivilisten sagen. Es entwickelt sich eine Schlägerei, beide werden von einem Schutzmann abgeführt. Im Laufe des Tages stellt sich Voigt bei einer Schuhfabrik vor, erhält aber eine Absage, da er nicht gedient hat.

Inzwischen musste Hauptmann von Schlettow seinen Dienst quittieren, die Uniform, die ihm geliefert wird, muss Wabschke wieder mit ins Geschäft nehmen.

Voigt hat andere Sorgen. Er benötigt dringend einen Pass, um aus seinem Teufelskreis ausbrechen zu können. Er überredet Kalle, mit ihm ins Potsdamer Polizeirevier einzubrechen. Dort will er sich einen Pass ausstellen und seine Vorgeschichte aus den Akten verschwinden lassen. Beide werden bei ihrem Einbruch geschnappt.

Bürgermeister Obermüller, gerade zum Leutnant befördert, betritt Wormsers Geschäft, da er dringend eine neue Uniform benötigt. Wormser nimmt an der für von Schlettow geschneiderten kleinere Änderungen vor und verkauft Obermüller die Uniform.

Zehn Jahre später: Voigt wird aus der Haft entlassen. Dort hat er viel über das preußische Militärwesen gelernt. Für kurze Zeit kommt er bei seiner Schwester und seinem Schwager, der Beamter ist, unter. Doch auch dieser kann ihm keinen Pass besorgen.

Aufregung in der Wohnung des Bürgermeisters Obermüller, der am Kaisermanöver teilnimmt: Die neue, bei Wormser bestellte Uniform wurde noch nicht geliefert. Der Zuschneider Wabschke erscheint dann doch noch in letzter Minute, und nimmt die alte Uniform als Anzahlung mit.

Wilhelm Voigt erhält bei seiner Schwester per Post die Nachricht von seiner Ausweisung. Er deutet an, einen Plan zu verfolgen, und verabschiedet sich. In einem Trödelladen kauft er eine alte Hauptmannsuniform. In einem öffentlichen WC kleidet er sich um, und probiert die Wirkung an einem verdutzten Dienstmann.

Der als Hauptmann verkleidete Voigt trifft auf der Straße eine Gruppe Grenadiere, die er seinem Kommando unterstellt. Sie marschieren zum Köpenicker Rathaus, verhaften den Bürgermeister und den Stadtkämmerer, und lassen sie zur Neuen Wache nach Berlin bringen. Beiläufig erkundigt Voigt sich nach dem Passamt, aber das befindet sich in Teltow. Er entlässt die Soldaten, entnimmt das Geld aus der Stadtkasse und verschwindet.

Der falsche Hauptmann von Köpenick bestimmt am nächsten Tag die Schlagzeilen der Zeitungen. Voigt stellt sich einem Passkommissar, nachdem dieser ihm versprochen hat, ihm endlich einen Pass auszustellen. Voigt wird zum Berliner Polizeipräsidium gebracht. Dort glaubt man ihm zunächst nicht, bis sich die Uniform in dem von ihm genannten Versteck auffindet. Zum ersten Mal wird Voigt von einer Behörde gut behandelt, gar bewirtet. Auch darf er die Uniform ein letztes Mal anziehen und sich im Spiegel betrachten.

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