Hans Leip – Die Klabauterflagge oder Atje Potts erste und höchst merkwürdige große Fahrt

Abenteuergeschichte, Insel Verlag, 1933

Was bedeutet es, eine Klabauterflagge an einem Schiff zu sehen? Gibt es das wirklich? Mit welchem Gedicht machte sich Hans Leip unsterblich?

Was hatte ich doch drei Jahre lang einen tollen Deutschlehrer (7. bis 9. Klasse)! Als Sportlehrer war er in meinen Augen nicht zu gebrauchen, ließ er uns doch, statt Fußball zu spielen, über Böcke springen, Rollen auf dem Barren üben oder Seile hochklettern, selbstverständlich erst, wenn man einige Runden durch die Halle gedreht und sich mit Gymnastik warm gemacht hatte. Aber als Deutschlehrer war er eine Wucht! Trug er Goethes Zauberlehrling vor, so meinte man, den Besen Eimer voll mit Wasser heranholend durch das Klassenzimmer laufen zu sehen. Und er versorgte uns immer mit tollen Lektüretipps. Einer seiner ersten Empfehlungen an uns Siebtklässler war Hans Leips Die Klabauterflagge.

Der alte Käptn Pott erzählt dem zehnjährigen Hans Leip, der manchen Abend am Hamburger Hafen auf seinen Vater wartet, der dort arbeitet, eine Geschichte aus seiner Kindheit. Verwaist kommt der zehnjährige Atje zu seiner Tante nach Cuxhaven, die eine Stube an den Fischer Matten vermietet hat. Die beiden freunden sich schnell miteinander an, und Atje begleitet Matten auf so mancher Bootsfahrt zum Fischen. Auf eine dieser Fahrten geraten sie in ein großes Unwetter und müssen ihren Fang wieder über Bord werfen. Matten beschließt, weiter nach England zu fahren. In Hull allerdings wird ihnen das Boot geklaut, als sie abends zum Essen in der Taverne „Zum Schweinskopf” sitzen. Es kommt alles noch schlimmer: Ein Angebot, als Heizer auf einem Schiff anzuheuern, schlägt Matten aus, wird aber nach einer Prügelei auf eben dieses Schiff entführt. Atje gelingt es nur mit Mühe, ihm auf das Schiff zu folgen. Er lernt Mr. Betterfield kennen, der das Schiff charterte, wird von diesem als sein Boy angestellt, und ist somit vor der rauen Besatzung des Schiffes geschützt.

Mr. Betterfield weiht Atje in die Geschichte vom Goldschatz des Agamemnon ein, den er zusammen mit seinem Diener Adolar auf einer kleinen griechischen Insel fand, aber von Räubern überfallen wurde, und nur mit Müh und Not, Adolar auf der Insel zurücklassend, mit dem Leben davon kam. Jetzt hat er dieses Schiff gechartert, um mit Hilfe einer Karte wieder in den Besitz des Schatzes zu gelangen.

Es geht rasant weiter: Atje wird fast von einer Welle über Bord gespült und von Matten, den er bislang auf dem Schiff noch nicht zu Gesicht bekam, gerettet. Beide sehen die Klabauterflagge am Mast des Schiffes, die großes Unheil verheißt. Schon zeigt es sich, dass dem Kapitän nicht zu trauen ist. Er will selbst in den Besitz des Schatzes gelangen. Ein Giftanschlag auf Mr. Betterfield scheitert nur, weil der Schiffskater Tom das Essen frisst, das für Betterfield bestimmt war. Matten erscheint erneut für einen Moment, und erhält von Atje die Schatzkarte ausgehändigt.

Das Schiff erreicht die Insel, die menschenleer vorgefunden wird. Mr. Betterfield zeigt dem Kapitän eine Höhle, in der sich der Schatz nicht finden lässt. Misstrauisch werden Betterfield und Atje von den Matrosen nach der Schatzkarte durchsucht, und als man diese nicht findet, allein auf der Insel zurückgelassen. Bevor das Schiff den Anker lichtet und entschwindet, gelingt es Matten, schwimmend zur Insel zu flüchten. Im Besitz der Karte findet Mr. Betterfield den Ort, an dem der Schatz vergraben ist. Dort findet sich auch sein Diener Adolar, der die ganze Zeit den Schatz bewacht hatte.

Mr. Betterfield und Adolar bleiben auf der Insel zurück, um sich einer wissenschaftlichen Abhandlung über Agamemnon und seine Schätze zu widmen, Atje und Matten treffen, von Mr. Betterfield reich beschenkt, nach langer Fahrt in einem Kanu auf einer griechischen Insel ein, und können dort an Bord eines Hamburger Dampfers anheuern und die Heimreise antreten. Schließlich erfährt der Leser noch, dass das von Mr. Betterfield gecharterte Schiff in der Biskaya unterging. „Woraus man sieht, daß es mit der Klabauterflagge seine Richtigkeit hat, man mag dazu sagen, was man will.“

Was wird in dieser Erzählung doch für herrliches Seemannsgarn gesponnen! Die Klabauterflagge, durch die einzelnen kleinen Kapitel gut in Happen zu lesen, ist eine Abenteuergeschichte, wie man sie sich nur wünschen kann. Nicht nur für Kinder klasse, auch für Erwachsene, allerdings ist das Reclam-Bändchen zurzeit nur noch antiquarisch zu erstehen.

Unvergessen wird Hans Leip dennoch bleiben: Er verfasste 1915, auf dem Weg zur russischen Front, das Gedicht „Lili Marleen“, das 1937 in seinem Gedichtband Die kleine Hafenorgel Aufnahme fand. Von Lale Andersen gesungen, wird „Lili Marleen“ ein Evergreen.

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